Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hat Erfolg.
Der Bescheid vom 14.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Fahrtkosten für den Weg zu seinem Arbeitgeber während der stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme in Höhe der Kosten, die für die Nutzung des
ÖPNV entstanden wären.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich hier aus
§ 60 Abs. 5 SGB V (in der damals gültigen Fassung) in Verbindung mit
§ 73 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX. Danach hat die Beklagte Fahrtkosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erstatten.
Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer erfüllt, weil es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung auch im Krankenversicherungsrecht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handelt, mit der die geltend gemachten Fahrtkosten hier "im Zusammenhang" stehen.
Die stufenweise Wiedereingliederung ist grundsätzlich zunächst ein Vertragsverhältnis eigener Art zwischen dem noch arbeitsunfähigen Versicherten und dem Arbeitgeber, dessen rehabilitatives Ziel darin besteht, langfristig erkrankte Versicherte wieder nachhaltig in das Berufsleben einzugliedern. Nach Vorläufern wie dem so genannten "Hamburger Modell" erfolgte 1988 mit
§ 74 SGB V und 2001 durch die Einführung in
§ 28 SGB IX die sozialrechtliche Verankerung. Die Absicherung des Lebensunterhalts erfolgt - je nach zuständigem Träger - durch Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld. Trotz der "betrieblichen Durchführung" ist die stufenweise Wiedereingliederung wegen ihres vorrangig therapeutischen Zwecks damit den Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen (
vgl. zum vorstehenden auch Nebe, SGb 2015, 125ff).
Dies hat auch das Bundessozialgericht bereits entschieden. Im Urteil vom 21.3.2007 -
B 11a AL 31/06 R -, juris, Rn. 31 führt das Bundessozialgericht aus:
"Konsequenterweise versteht der Gesetzgeber, wie bereits die gesetzessystematische Einordnung der §§ 74
SGB V, 28
SGB IX jeweils zeigt, die stufenweise Wiedereingliederung - ungeachtet des erwünschten Endeffekts der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit - ihrem Wesen nach als eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, was auch folgerichtig ist, weil nach der in den Gesetzesmotiven zum GRG (aaO) zum Ausdruck kommenden Konzeption die stufenweise Wiederaufnahme der Beschäftigung nicht Selbstzweck ist, sondern vielmehr in geeigneten Fällen als therapeutisches Instrument zur Überwindung der Folgen einer Erkrankung beitragen soll. Davon abgesehen verliert nach der Rechtsprechung des
BSG eine Rehabilitationsmaßnahme den sie prägenden Charakter nicht schon dadurch, dass sie dem Teilnehmer Gelegenheit gibt, sich durch die Verrichtung von Arbeit mit wirtschaftlich verwertbaren Ergebnissen zu befähigen, den Anforderungen der Arbeitswelt zu entsprechen."
Zu Recht unterscheidet das Bundessozialgericht auch nicht zwischen einer stufenweisen Wiedereingliederung, die von der Krankenkasse getragen wird und der stufenweisen Wiedereingliederung, die von anderen Trägern, wie der Rentenversicherung oder Unfallversicherung getragen wird und nennt die Vorschriften des § 74
SGB V und § 28
SGB IX stets zusammen.
Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass es sich nicht um Leistungen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung handele, folgt die Kammer dem nicht. Zwar wird die stufenweise Wiedereingliederung nicht ausdrücklich im Fünften Abschnitt des
SGB V unter der Überschrift "Leistungen bei Krankheit" genannt. Dies ändert indessen nichts daran, dass es sich gleichwohl um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation handelt (
vgl. auch Sichert in Becker/Kingreen, § 74
SGB V, Rn 4 und Legde in LPK-SGB V, § 74 Rn. 1: "Die Bedeutung der Vorschrift liegt daher vor allem darin, dass sie die stufenweise Wiedereingliederung als Maßnahme der Rehabilitation im Rahmen der Krankenbehandlung voraussetzt und damit die Grundlage für eine im Zusammenwirken von Versicherten, Arzt, Arbeitgeber und Krankenkasse zu vereinbarende stufenweise Wiedereingliederung schafft.") Die Verortung in § 74
SGB V und mithin in einem Kapitel über die Beziehung zu ärztlichen Leistungserbringern ist lediglich der Tatsache geschuldet, dass neben der grundlegenden Vorschrift in § 28
SGB IX, die auch für die Krankenkassen Gültigkeit hat, ein Bedürfnis dafür bestand, die Voraussetzungen und Handlungsanweisungen an die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte aufzuführen.
Soweit das Bundessozialgericht in seinem späteren Urteil vom 5.2.2009 -
B 13 R 27/08 R -, juris maßgeblich auf den Zusammenhang der stufenweisen Wiedereingliederung mit einer vorangegangenen "klassischen" Rehabilitationsmaßnahme abstellt, bedeutet dies nicht, dass die stufenweise Wiedereingliederung für sich alleine keine medizinische Rehabilitation darstellen kann. Das Bundessozialgericht setzt in der zitierten Entscheidung diesen Fokus nur, um die Zuständigkeit der einzelnen Träger der Rehabilitation gegeneinander abzugrenzen. Deswegen bleibt die Rentenversicherung Träger der stufenweisen Wiedereingliederung (d.h. zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtet), wenn diese im unmittelbaren Anschluss an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wird. Ausdrücklich weist das
BSG aber darauf hin, dass keine zeitgleiche sonstige Rehabilitation durchgeführt werden muss, um die stufenweise Wiedereingliederung als eigenständige Leistung der medizinischen Rehabilitation zu qualifizieren (
vgl. auch Nebe/Piller, Erstattung von Fahrtkosten während einer stufenweisen Wiedereingliederung - Anmerkung zu SG Neuruppin, Urteil vom 26.1.2017,
S 22 R 127/14 veröffentlicht in www.reha-recht.de; 02.10.2018).
Die grundsätzliche Qualifikation als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation schließt es schließlich aus, die stufenweise Wiedereingliederung den in
§ 43 SGB V genannten, nur ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation zuzuordnen, bei denen eine Fahrtkostenerstattung ausscheidet (
vgl. zum Behindertensport
BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 22/07 R -, juris). Es handelt sich vielmehr um eine Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation (a.A. unter Bezugnahme auf die Mitwirkungsverpflichtung des Versicherten aber SG Kassel, Urteil vom 20. Mai 2014 -
S 9 R 19/13 -, juris, dagegen überzeugend Nellissen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl.,
§ 44 SGB IX (Stand: 17.06.2019), Rn. 45 1). Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass bei der stufenweisen Wiedereingliederung anders als zB bei anderen medizinischen Rehabilitationsleistungen kein von der Krankenkasse beauftragter Leistungserbringer konkrete Behandlungen am Versicherten durchführt. Dies ist aber Ausdruck des Leitbildwechsels von einem einrichtungszentrierten zu einem personenzentrierten Leistungsrecht in der Rehabilitation (so pointiert Nebe, SGb 2015, 125, 133f, die in der Konsequenz einfordert, dass die bereits vorhandenen Rechtsgrundlagen zur Fahrtkostenerstattung "in diesem Lichte mobilisiert werden müssen").
Deswegen besteht auch im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Fahrtkosten in Höhe des Betrages, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist. Der Kläger wohnt fußläufig zum Bahnhof in C ... und könnte seine Arbeitsstelle mit einem Einzelticket der Preisstufe 2 (4,30
EUR) in zumutbarer Zeit erreichen. Dass er sich aus anderen, persönlichen Gründen für die Benutzung des PKW entschieden hat, steht dem nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Kammer lässt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 144
Abs. 2
Nr. 1
SGG zu. Bislang fehlt eine obergerichtliche Klärung der Rechtsfrage, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellt. Dies betrifft vor allem die Fallgestaltung, wenn die Wiedereingliederungsmaßnahme durch die Krankenversicherung getragen wird.