Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54
Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), denn die angefochtenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der ihm in der Zeit vom 11.03.2015 bis 27.03.2015 für den Arbeitsweg im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung entstandenen Fahrkosten.
Der Anspruch ergibt sich für den genannten Zeitraum aus
§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V. Danach kann der Versicherte von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte, notwendige Leistungen verlangen, die ihm dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (
vgl. BSG, Urteil vom 22.04.2008, B 1 KR 22/07 R, juris Rn. 13 zu der Feststellung, dass auch Fahrkosten Naturalleistungen sind, deren Erstattung sich nach § 13
Abs. 3
SGB V richtet).
Hier hat die Beklagte eine Leistung, und zwar die Übernahme von Fahrkosten, zu Unrecht abgelehnt, und dem Kläger sind dadurch Kosten in Höhe von 72,80 Euro für die Fahrten im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung entstanden, die auch notwendig waren.
Die Ablehnung der Übernahme der Fahrkosten erfolgte zu Unrecht, da der Kläger einen Anspruch auf die Übernahme aus
§ 53 Abs. 1 SGB IX hatte.
Nach § 53
Abs. 1 Satz 1
SGB IX werden als Reisekosten die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erforderlichen Fahrkosten übernommen.
Während die stufenweise Wiedereingliederung im
SGB V keine Leistung der medizinischen Rehabilitation darstellt, sondern mit § 74
SGB V Teil der Beziehungen der Krankenkassen zu Ärzten ist, wurde sie im
SGB IX durch
§ 28 SGB IX originäres Leistungsrecht. Das Bundessozialgericht hat in mehreren Entscheidungen ausdrücklich klargestellt, dass die stufenweise Wiedereingliederung eine Leistung der medizinischen Rehabilitation ist, für die (auch) die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist (
BSG, Urteil vom 20.10.2009,
B 5 R 44/08 R, juris Rn. 36, 38; Beschluss vom 29.01.2008,
B 5a-5 R 26/07 R, juris Rn. 21). Es hat sich dabei explizit mit der Argumentation auseinandergesetzt, die stufenweise Wiedereingliederung sei deshalb keine medizinische Rehabilitationsmaßnahme, weil sie nicht in der Aufzählung des
§ 26 Abs. 2 SGB IX enthalten, sondern in
§ 28 SGB IX separat geregelt. Nach den Ausführungen des
BSG beinhaltet § 26
Abs. 2
SGB IX keine abschließende Aufzählung, sondern führt die dort genannten Leistungen als Kernbereich der medizinischen Rehabilitation lediglich exemplarisch auf, was die gesetzliche Formulierung "insbesondere" belege. Auch der systematische Zusammenhang des § 28
SGB IX im Kapitel 4 "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" indiziere, dass auch die stufenweise Wiedereingliederung als solche eine medizinischen Rehabilitationsmaßnahme darstelle (
BSG, Urteil vom 20.10.2009, aaO, Rn. 36). Vor diesem Hintergrund hält die Kammer die Auffassung, die stufenweise Wiedereingliederung sei keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation trotz ihrer besonderen Ausgestaltung und der Abhängigkeit von dem Mitwirkungswillen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für nicht vertretbar (so aber SG Kassel, Urteil vom 20.05.2014,
S 9 R 19/13, juris Rn. 26; zurückhaltend aus diesem Grund auch Sichert in: Becker/Kingreen, Kommentar zum
SGB V, 4. Auflage, § 74 Rn. 27 unter Berücksichtigung auch des § 28
SGB IX).
Das
SGB IX finden im vorliegenden Fall auch Anwendung, da der Kläger mit einem
GdB von 80 ein behinderter Mensch im Sinne von
§ 2 Abs. 1 SGB IX ist.
Geht man aber mit dem Bundessozialgericht davon aus, dass die stufenweise Wiedereingliederung eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme ist - für die im vorliegenden Fall unstreitig die Beklagte als Rehabilitationsträger gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 SGB IX zuständig ist -, folgt der Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten unmittelbar aus §§ 44
Abs. 1
Nr. 5, 53
Abs. 1
SGB IX (so Nebe, SGb 2015,
S.125 (133)). Denn § 44
Abs. 1
Nr. 5
SGB IX regelt, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der in § 6
Abs. 1
Nr. 1 bis 5
SGB IX genannten Rehabilitationsträger - und damit auch der Krankenkasse - ergänzt werden u.a. durch Reisekosten.
Aber auch unter Berücksichtigung des
§ 7 SGB IX, der den Vorrang der für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze bestimmt, gelangt man zu einem Übernahmeanspruch. Denn § 60
Abs. 5
SGB V, der die Übernahme von Fahrkosten regelt, soweit sie im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entstehen, verweist zur näheren Ausgestaltung auf § 53
SGB IX. Dass diese im Hinblick auf die stufenweise Wiedereingliederung begrenzt sein sollen auf Kosten, die im Zusammenhang mit der "Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses" entstehen (so wohl Sichert in: Becker/Kingreen, aaO. Rn. 27), ist nicht nachvollziehbar.
Die Übernahme der Fahrkosten als ergänzende Leistung der Hauptleistung "stufenweise Wiedereingliederung", die wiederum eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation darstellt, erscheint auch sachgerecht. Denn die Fahrkosten belasten den Versicherten während der stufenweisen Wiedereingliederung, in der er regelmäßig kein Arbeitsentgelt, sondern nur Krankengeld erhält, im Verhältnis deutlich mehr als im regulären Berufsalltag (zur hohen praktischen Relevanz
vgl. Nebe, aaO,
S. 125 (133, Fußnote 95)).
Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten besteht allerdings nur für die Zeit vom 11.03.2015 bis zum 27.03.2015. Die Klage ist, soweit mit ihr eine Erstattung auch für den Zeitraum vom 18.02.2015 bis 10.03.2015 begehrt wird, unbegründet. Denn die ablehnenden Bescheide sind insoweit rechtmäßig. Für die Zeit vom 18.02.2015 bis 10.03.2015 fehlt es an dem für den Erstattungsanspruch nach § 13
Abs. 3
SGB V erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Kostenlast des Klägers und der Leistungsablehnung durch die Krankenkasse. Die Kammer hat den Text in der nicht mit Seitenzahlen versehenen Verwaltungsakte der Beklagten unter "Postkorb" so ausgelegt, dass die ablehnende Entscheidung dem Kläger am 11.03.2015 um 7:42 Uhr telefonisch mitgeteilt worden ist, so dass die Ablehnung der Beklagten ab diesem Tag ursächlich für die vom Kläger selbst aufgewandten Fahrkosten war. Hätte der Text so verstanden werden müssen, dass die telefonische Ablehnung erst am Nachmittag um 15:29 Uhr erfolgte, wäre der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Fahrkosten bis einschließlich 11.03.2015 abzulehnen gewesen.
Ausgehend von einer telefonischen Ablehnung am frühen Morgen des 11.03.2015 besteht nach § 53
Abs. 4 Satz 1
SGB IX i.V.m. § 5
Abs. 1 BRKG ein Anspruch auf Erstattung von 72,80 Euro (13 Arbeitstage à 28
km zu 0,20 Euro je Kilometer).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Die Berufung bedurfte der Zulassung durch das Gericht, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes (für die Beklagte: 72,80 Euro, für den Kläger: 84,00 Euro) die nach § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG maßgebliche Summe von 750 Euro nicht übersteigt. Sie war nach § 144
Abs. 2
Nr. 1
SGG zuzulassen, weil die Kammer der Frage, ob Versicherte, die in den Geltungsbereich des
SGB IX fallen, im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung einen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten für den Arbeitsweg haben, grundsätzliche Bedeutung beimisst.