Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und - soweit noch über sie zu entscheiden war - begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Streitgegenstand der Klage ist der Bescheid vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2014, mit welchem die Beklagte die Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten abgelehnt hat. Die Klägerin hat ihr Begehren im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 auf einen Betrag in Höhe von 177,60 Euro beschränkt.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten sowohl dem Grunde nach (dazu 1.) als auch der Höhe nach (dazu 2.) zu.
1.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten dem Grunde nach zu.
Rechtsgrundlage für die Erstattung von Fahrtkosten sind
§ 44 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX i. V. m.
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Danach werden die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX genannten Rehabilitationsträger durch Reisekosten ergänzt (§ 44
Abs. 1
Nr. 5
SGB IX). Als Reisekosten werden (unter anderem) die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahrtkosten übernommen (§ 53
Abs. 1 Satz 1
SGB IX).
Die geltend gemachten Fahrtkosten der Klägerin sind vorliegend zu erstatten, weil sie erforderlich gewesen sind und weil es sich - was hier allein streitig ist - bei der streitgegenständlichem Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im obigen Sinne gehandelt hat.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Anders als die Beklagte ist die Kammer der Auffassung, dass der Gesetzgeber die Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des
§ 28 SGB IX mit den ergänzenden Leistungen der §§ 44
ff. SGB IX und damit auch mit der Fahrtkostenerstattung im Sinne des § 53
SGB IX flankieren will. Dies ergibt sich sowohl aus der Gesetzessystematik des
SGB IX und des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch -
SGB VI - als auch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen.
Der Gesetzgeber hat in den §§ 9
ff. SGB VI die Leistungen zur Teilhabe geregelt. Die Hauptteilhabeleistungen sind hierbei die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 15
SGB VI) und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16). Nach § 15
SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Leistungen nach den §§ 26 bis 31
SGB IX und damit sowohl die eigentlichen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach
§ 26 SGB IX als auch die Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28
SGB IX. Nach § 28
SGB VI werden die Leistungen zur Teilhabe außer durch das Übergangsgeld (welches in den §§ 20, 21
SGB VI i. V. m. §§ 45 bis 52
SGB IX gesondert geregelt ist) durch die Leistungen nach § 44
Abs. 1
Nr. 2 bis 6 und
Abs. 2
SGB IX und nach den §§ 53 und 54
SGB IX ergänzt. Hieraus ergibt sich für die Kammer, dass der Gesetzgeber sämtliche der genannten Leistungen zur Teilhabe und damit auch die in § 15
SGB VI i. V. m. § 28
SGB IX genannte Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung für ergänzbar durch Fahrtkosten hält. Dass er zwischen den Leistungen nach
§ 26 SGB IX und nach § 28
SGB IX eine Unterscheidung vornehmen will, ergibt sich hingegen aus den genannten Vorschriften nicht.
Gleiches gilt auch hinsichtlich der Regelungen im
SGB IX. Der Gesetzgeber hat in Kapitel 6 des
SGB IX (§§ 44
ff. SGB IX) die "Ergänzenden Leistungen" geregelt, welche die Hauptrehabilitationsleistungen flankieren und zusätzlich zu diesen zu gewähren sind. Die Hauptrehabilitationsleistungen selbst sind in dem Kapitel 4 "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" und in dem Kapitel 5 "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" geregelt. Damit ergibt sich, dass unter die "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" im Sinne des § 44
Abs. 1
SGB IX sämtliche in Kapitel 4 geregelten Leistungen fallen und damit auch die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28
SGB IX (so wohl auch Reyels, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 44
SGB IX, Rz. 13).
Die Kammer ist damit - anders als die Beklagte - der Auffassung, dass es sich bei der Leistung zur stufenweisen Wiedergliederung im Sinne des § 28
SGB IX um eine Hauptrehabilitationsleistung handelt, die einer Ergänzung durch Leistungen gemäß den §§ 44
ff. SGB IX zugänglich ist. Sie folgt hierbei der Auffassung des
BSG, dass es sich bei der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nicht selbst um eine "ergänzende" Leistung zur eigentlichen (stationären) medizinischen Rehabilitationsleistung handelt, sondern um eine eigenständige Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation.
Das
BSG (
vgl. Urteil v. 29.01.2008 -
B 5a/5 R 26/07 R) hat hierzu ausgeführt, dass die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung zum Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen gehöre, die in den §§ 26
ff. SGB IX geregelt sind. Sie diene - ebenso wie eine stationäre Rehabilitationsleistung - dazu, die krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu überwinden, damit der Versicherte an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Sie stelle daher die "zweite Phase der Rehabilitation" dar. Die stufenweise Wiedereingliederung im unmittelbaren Anschluss an eine stationäre Rehabilitation stehe mit dieser wegen der gemeinsamen Zielsetzung in einem so engen Zusammenhang, dass letztlich beide als einheitliche Rehabilitations-Maßnahme anzusehen sind, die mit der stationären Aufnahme in der Rehabilitationseinrichtung beginnt und im günstigsten Fall mit der vollen Rückkehr des Versicherten an seinen Arbeitsplatz endet.
Das
BSG führt weiter aus:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten schränkt auch § 20
SGB VI die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für eine stufenweise Wiedereingliederung nicht ein. Nach dessen Abs 1 haben diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld, die von einem Träger der Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Reha erhalten. Die Beklagte möchte dieser Vorschrift entnehmen, dass jedenfalls bis zur Einfügung des § 51 Abs 5
SGB IX durch das Schwerbehinderten-Ausbildungsförderungsgesetz vom 23.4.2004 (BGBl I 606) Übergangsgeld nur dann habe gezahlt werden können, wenn neben der stufenweisen Wiedereingliederung eine medizinische Reha-Leistung als "Hauptleistung" gewährt worden sei, etwa in Form einer ambulanten medizinischen Reha oder einer Anschlussheilbehandlung (so auch Redwitz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz,
SGB IX, 1. Aufl 2006, § 51 RdNr 34; Gerke in Kossens/von der Heide/Maaß,
SGB IX, 2. Aufl 2006, § 28 RdNr 9; aA Mrozynski,
SGB IX Teil 1, 2002, § 28 RdNr 9). Mit dieser Argumentation setzt sich die Beklagte jedoch in Widerspruch zum Anliegen des
SGB IX, die stufenweise Wiedereingliederung nunmehr ausdrücklich als eine auch von der Rentenversicherung zu erbringende Leistung der medizinischen Reha einzuführen; Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch auf Übergangsgeld während der stufenweisen Wiedereingliederung die gleichzeitige Gewährung einer (Haupt-)Leistung voraussetzt, lässt sich dem
SGB IX an keiner Stelle entnehmen."
Der Beklagten ist daher nicht zuzustimmen, wenn sie die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation generell auf ganztägig ambulant oder stationär durchgeführte Rehabilitationen beschränken will und deren Ende mit der Entlassung aus der (stationären) Rehabilitationseinrichtung sieht. Dies wird zwar im Regelfall so sein, insbesondere wenn die krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit überwunden wird und der Versicherte an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Jedoch endet die Rehabilitation mit der Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung dann nicht, wenn der Versicherte für seine letzte Tätigkeit arbeitsunfähig oder darüber hinaus sogar erwerbsgemindert bleibt. Wird er aus der stationären Rehabilitation als arbeitsunfähig entlassen, hat die stationäre medizinische Rehabilitation bis zur Entlassung allenfalls einen Teilerfolg erzielt. In einem solchen Fall kann das Endziel der Rehabilitation - die uneingeschränkte Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit durch den Versicherten -
ggf. erst durch eine (erfolgreiche) stufenweise Wiedereingliederung erreicht werden (
vgl. BSG, Urteil v. 29.01.2008,
a. a. O.). Entsprechend ist der Rehabilitationsprozess durch die stufenweise Wiedereingliederung fortzusetzen, um das Ziel der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten
bzw. dessen Rückkehr in das Erwerbsleben möglichst auf Dauer zu erreichen.
Die Kammer folgt daher nicht der zitierten Rechtsprechung des Sozialgerichts Kassel (Urteil v. 20.05.2014 -
S 9 R 19/13; kritisch auch Nellissen, jurisPR-SozR 8/2015
Anm. 3). Insbesondere ist sie nicht der Auffassung, dass eine Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nur durch solche Leistungen ergänzt werden kann, die explizit auf § 28
SGB IX Bezug nimmt. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem bereits erwähnten § 51
Abs. 5
SGB IX ("Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 28) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende weitergezahlt."). Die Entstehungsgeschichte zu
§ 51 Abs. 5 SGB IX zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber auch vor dessen Einführung bereits vorgesehen hatte, die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung durch Leistungen wie das Übergangsgeld zu ergänzen. Dies hat er in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht (
vgl. BT-Drucksache 15/1783,
S. 13). Jedoch hat er es aufgrund der danach ergangenen Rechtsprechung als notwendig angesehen klarzustellen, dass das Übergangsgeld im Falle einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung, die zeitnah an eine (stationäre) medizinische Rehabilitation anschließt, durchgehend geleistet werden soll (und zwar durch den primär zuständigen Rehabilitationsträger). Es soll so zwischen der Leistung zur (stationären) medizinischen Rehabilitation und der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung keine Lücke entstehen, in der kein Übergangsgeld gezahlt wird. § 51
Abs. 5
SGB IX soll also die nahtlose Leistungsgewährung sicherstellen (im Sinne eines Zwischenübergangsgeldes). Dies setzt aber gerade voraus, dass auch im Falle der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung (ergänzende) Leistungen wie das Übergangsgeld gewährt werden können.
Vorliegend hat die Klägerin eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28
SGB IX durchgeführt. Diese hat sich an eine Leistung zur (stationären) medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 26
SGB IX angeschlossen, weil die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen worden ist. Die Beklagte hat sich für beide Leistungen als zuständiger Leistungsträger angesehen und für die Zeit seit Beginn der stationären Behandlung durchgehend Übergangsgeld gezahlt. Gemäß den dargelegten Maßstäben hat sie für die Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung auch Fahrtkosten im Sinne des § 53
SGB IX zu erstatten.
2.
Der Klägerin sind Fahrtkosten in der im Tenor genannten Höhe zu erstatten.
Gemäß § 53
Abs. 4 Satz 1
SGB IX werden Fahrkosten in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5
Abs. 1 Bundesreisekostengesetz - BRKG -. Diese beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 0,20 Euro je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130,00 Euro (§ 5
Abs. 1 Satz 2 BRKG). Abrechnungsfähig ist der Aufwand sowohl für die Hinreise als auch für die Rückreise.
Die Klägerin hat an zwölf Tagen an der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung teilgenommen. Die Wegstrecke für Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstätte beträgt nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten 74
km. Dies ergibt eine Gesamtwegstrecke von 888
km (74
km x 12 Tage).
Der Klägerin sind daher 888
km x 0,20 Euro = 177,60 Euro zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin ursprünglich einen Betrag in Höhe von 266,40 Euro begehrt hat und damit mit einem Teil ihres Begehrens nicht erfolgreich gewesen ist.
Hinsichtlich des Unterliegens der Beklagten ist gemäß § 144
SGG über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, da der Wert der Beschwer unter 750,00 Euro liegt und auch nicht um Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten wird. Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage, ob ein Rentenversicherungsträger die bei einer Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28
SGB IX entstandenen Fahrtkosten nach § 53
SGB IX zu erstatten hat, ist klärungsbedürftig, da - soweit für die Kammer ersichtlich - eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu noch nicht existiert und die bisherigen Urteile uneinheitlich sind (siehe oben). Die Rechtsfrage hat auch Breitenwirkung, weil eine grundsätzliche Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger in Streit steht, welche eine Vielzahl von Fällen betreffen kann.