Der Senat durfte gemäß § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), der nach § 153
Abs. 1
SGG auch in Berufungsverfahren anwendbar ist, mit Einverständnis der Beteiligten (vom Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2009 und vom Beklagten mit Schreiben vom 24. Februar 2009 erteilt) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die Berufung ist statthaft, denn das SG hat sie im Urteil gemäß § 144
SGG zugelassen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht gemäß § 151
Abs. 1
SGG eingelegt.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 19. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2006 beschwert den Kläger
i.S.d. § 153
Abs. 1, 54
Abs. 2 Satz 1
SGG. Er hat für den streitigen Zeitraum Anspruch auf Regelleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe des streitbefangenen Betrags.
Der Senat hatte nur über die Höhe der dem Kläger zustehenden Regelleistungen zu entscheiden, da nur insoweit Streit zwischen den Beteiligten besteht. Der Kläger hat diesbezüglich durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren (Schriftsätze vom 10. Februar 2009 und 7. April 2009) den Streitgegenstand wirksam beschränkt. Die vom Beklagten gewährten Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens (zur Möglichkeit des Teilvergleichs auch über einzelne Berechnungselemente der Gesamtleistung
vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22
Nr. 1 RN 22; Urteil vom 28. November 2002, Az.: B 7 AL 36/01 R; Urteil vom 16. Oktober 2007, Az.: B 8/9b SO 2/06 R).
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist Streitgegenstand im vorliegenden Fall nicht allein die Anrechenbarkeit des Ausbildungsgeldes als Einkommen. Streitgegenständlich sind die begehrten um 67,00
EUR höheren Leistungen der Grundsicherung nach dem
SGB XII. Es handelt sich um einen sog. Höhenstreit, in dem nach der Rechtsprechung des
BSG (Urteil vom 26. August 2008, Az.: B 8/9b SO 10/06 R; Urteil vom 11. Dezember 2007, Az.: B 8/9b SO 23/06 R) alle Anspruchsgrundlagen sowie alle Voraussetzungen über Grund und Höhe der Leistungen durch das Gericht voll zu überprüfen sind. Eine Begrenzung des Klagegegenstands auf isolierte Rechtsfragen
bzw. einzelne Tatbestandsmerkmale ist unzulässig (
vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008, Az.:
B 14 AS 56/07 R).
Dieser Höherstreit ist jedoch durch den ausdrücklichen Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung beim SG auf eine Forderung von 67,00
EUR monatlich begrenzt. Zwar ist der Senat gemäß § 123
SGG nicht an die Fassung der Anträge gebunden; er darf jedoch nicht mehr zusprechen als gewollt (
vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer:
SGG, 9. Auflage 2008, § 123 RN 4). Der anwaltlich vertretene Kläger hat den geltend gemachten Leistungsantrag beziffert und dadurch in der Höhe begrenzt.
Der Kläger gehört zum Kreis der Leistungsberechtigten nach
§ 41 SGB XII (nach dem bzgl. der hier betroffenen Normen maßgeblichen Rechtsstand durch G. v. 9.12.2004, BGBl. I
S. 3242), denn er ist unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert und es ist unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Dies folgt aus der Stellungnahme des Fachausschusses der
WfbM vom 10. Oktober 2005, die gemäß
§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII die Notwendigkeit eines Ersuchens an den Rentenversicherungsträger zur Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 45
Abs. 1 Satz 1
SGB XII entfallen lässt.
Der Umfang der Leistungen der Grundsicherung ist nach § 41
Abs. 2
SGB XII zu ermitteln, indem dem abstrakten Leistungsanspruch nach
§ 42 SGB XII (Bedarf) das nach den §§ 82 bis 84 und 90
SGB XII zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gegenübergestellt wird. Der Bedarf des Klägers umfasst nach § 42
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII zunächst den für ihn maßgeblichen Regelsatz nach § 28
SGB XII. Danach wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach Regelsätzen erbracht, deren monatliche Höhe im Rahmen der
Rechtsverordnung nach § 40
SGB XII (Regelsatzverordnung - RSV, hier i.d.F. durch G. v. 30. Juli 2004, BGBl. I
S. 1950, 2005) durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen festgesetzt wird (für den hier streitigen Zeitraum: Verordnung zur Festsetzung der Regelsätze nach dem
SGB XII im Land Sachsen-Anhalt v. 21. Dezember 2004, GVBl. LSA
S. 877). Dabei ist aufgrund von § 3 RSV zwischen dem Regelsatz eines Haushaltsvorstands (331,00
EUR) und dem von Haushaltsangehörigen vor und nach Vollendung des 14. Lebensjahres (199,00
EUR/265,00
EUR) zu unterscheiden. Dieser Bedarf kann nach § 28
Abs. 1 Satz 2
SGB XII im Einzelfall abweichend festgelegt werden.
Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermächtigungskonformität der RSV und die Ermittlung der Regelsätze nach dem Statistikmodell (
vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1996, Az.: 5 C 47/95, BVerwGE 102, 366
ff.), wie auch nicht gegen die Vereinbarkeit der absoluten Höhe der Regelsätze für Erwachsene mit dem Grundgesetz (zu den diesbezüglichen Anforderungen
vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 1/06 R;
vgl. wegen der Regelsätze für Kinder und Jugendliche: Vorlagebeschluss des
BSG vom 27. Januar 2009, Az.: B 14/11b AS 9/07 R und B 14 AS 5/08 R).
Der iSv § 42 Satz 1
Nr. 1
SGB XII maßgebliche Bedarf des Klägers ist der eines Haushaltsvorstandes. Das
BSG hat dazu in seinem Urteil vom 19. Mai 2009 (Az.: B 8 SO 8/08 R, noch nicht veröffentlicht) ausgeführt, bei Bestehen einer bloßen Haushaltsgemeinschaft - nicht einer Bedarfsgemeinschaft - zwischen volljährigen
SGB XII-Leistungsempfängern (hier der Kläger) und erwachsenen Personen, die Leistungen nach dem
SGB II beziehen (hier die Mutter des Klägers), sei zugunsten des
SGB XII-Leistungsempfängers der Regelsatz eines Haushaltsvorstands zu Grunde zulegen. Insoweit seien
SGB II- und
SGB XII-Leistungsempfänger gleich zu behandeln; die typisierende Annahme einer Haushaltsersparnis auf der Grundlage der Regelsatzverordnung (RSV) sei einschränkend auszulegen. Da es eine Differenzierung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehöriger im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gebe, könnten Ersparnisse durch eine gemeinsame Haushaltsführung entgegen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu BSHG und RSV, trotz der Übernahme der Differenzierung nach "Haushaltsvorstand" und "Haushaltsangehörigen" in das
SGB XII und trotz der Fortgeltung der RSV nur dann angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft iS des
SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft iSv
§ 19 SGB XII bildeten.
Danach kommt es vorliegend nicht darauf an, wer nach seiner Stellung in der Haushaltsgemeinschaft für die Generalunkosten der gemeinsamen Haushaltsführung aufzukommen hat (W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm,
SGB XII, 17. Aufl., § 3 RSV RN 6
m.w.N.), worauf der Senat bislang abgestellt hat (Urteil vom 23. April 2008, Az.:
L 8 SO 5/06).
Nach Auffassung des
BSG können seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das
SGB (aaO) und des
SGB II durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1
GG) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem
SGB II und dem
SGB XII Einsparungen bei gemeinsamen Haushalt nur angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft iS des
SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 Abs 1
SGB XII bilden. In allen anderen Fällen müsse unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1
GG) auch bei der Bestimmung des Begriffs des Haushaltsangehörigen in der RSV berücksichtigt werden, dass die Annahme einer Haushaltsersparnis nach den Regelungen des
SGB II einer gegenüber den bisherigen BSHG-Regelungen abweichenden gesetzgeberischen Konzeption folge: Im Hinblick auf die im
SGB II normativ-typisierend unterstellten Kosten einer Haushaltsersparnis lasse sich ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Leistungsempfänger des
SGB II und des
SGB XII weder den Gesetzesmaterialien entnehmen noch sei er sonst erkennbar. Insbesondere finde sich ein sachlicher Grund nicht in dem Umstand, dass die Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
SGB II grundsätzlich erwerbsfähig iS des § 8
SGB II seien.
Der Gesetzgeber des
SGB II habe sich hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Regelleistung weitgehend an das Sozialhilferecht anlehnen wollen (BT-Drucks 15/1516 S 56) und sich von dem Gedanken leiten lassen, dass die Regelleistung des § 20
SGB II im Rahmen des Alg II das soziokulturelle Existenzminimum der insoweit als Referenzsystem für alle bedarfsorientierten und bedürftigkeitsabhängigen staatlichen Fürsorgeleistungen fungierenden Sozialhilfe abbilden sollte.
Der Senat folgt dieser Rechtsprechung des
BSG unter Aufgabe seiner bislang vertretenen Auffassung (
vgl. dazu: Urteil vom 23. April 2008, Az.: L 8 SO 5/06).
Eine Einsatzgemeinschaft iSv § 19
SGB XII liegt hier nicht vor, denn eine solche besteht nur zwischen Ehegatten sowie Eltern
bzw. Elternteilen und ihren minderjährigen Kindern. Der Kläger war im streitigen Zeitraum 20
bzw. 21 Jahre alt. Es besteht auch keine Bedarfsgemeinschaft nach
SGB II, denn der Kläger ist dauerhaft voll erwerbsgemindert.
Der danach für den Kläger maßgebliche Regelsatz eines Haushaltsvorstands beträgt im streitigen Zeitraum 331,00
EUR/Monat. In den angegriffenen Bescheiden hat der Beklagte fehlerhaft den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen iHv 265,00
EUR anerkannt.
Der Bedarf des Klägers ist im vorliegenden Fall nicht nach § 41 Satz 1
Nr. 3
i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII um einen behinderungsbedingten Mehrbedarf von 17 % des maßgeblichen Regelsatzes zu erhöhen, denn im wurde kein Merkzeichen G im Ausweis gemäß
§ 69 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) zugebilligt.
Der für den Kläger maßgebliche Regelsatz iHv 331,00
EUR ist jedoch nach § 42 Satz 1
Nr. 1
i.V.m. § 28
Abs. 1 Satz 2
SGB XII geringer festzulegen, da ein Teil des durch den Regelsatz erfassten Bedarfs durch ein für ihn kostenfreies Mittagessen in der
WfbM gedeckt ist. Der Wert der Mittagessen ist nicht als Einkommen des Hilfebedürftigen nach § 82
SGB XII sondern auf dessen Bedarf anzurechnen, da die Bestimmung des konkreten Bedarfs gegenüber der Einkommensanrechnung vorrangig ist (
BSG, Urt. v. 11. Dezember 2007, Az.:
B 8/9b SO 21/06 R, RN 17). Der Betrag der Minderung ist nach den vom Verordnungsgeber in § 2 RSV gemachten Vorgaben aus dem Anteil der Ernährung am Regelsatz iHv etwa 38 % (
BSG, a.a.O., RN 24 unter Verweis auf BR-Drucks. 206/04,
S. 12 f.) zu bestimmen und für jeden Tag der tatsächlichen Inanspruchnahme des kostenfreien Mittagessens mit dem Tageswert in Abzug zu bringen. Dabei entspricht der Tageswert des Mittagessens dem durch die Zahl der Tage des Monats geteilten monatlichen Gesamtbedarf für Ernährung, von dem entsprechend der Wertungen der für den hier streitigen Zeitraum noch geltenden Sachbezugsverordnung 2005 2/5 für das Mittagessen anzusetzen sind (
BSG, a.a.O. RN 23
ff.). Nach dem für den Kläger maßgeblichen Regelsatz iHv 331,00
EUR ergibt sich hiernach für Monate mit 31 Tagen ein Tageswert des Mittagessens von 1,62
EUR, für Monate mit 30 Tagen ein Tageswert von 1,68
EUR. Es ist vom jeweils maßgeblichen Regelsatz auszugehen, da andernfalls dem Hilfebedürftigen ein höherer Bedarfsanteil abgezogen würde, als ihm tatsächlich zur Verfügung steht.
Entgegen den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 28. April 2009 kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger (grundsätzlich) nicht am Mittagessen in der
WfbM teilgenommen hat; die dortigen Ausführungen sind durch die Angaben der
WfbM in der Anwesenheitsliste, in der die Tage, an denen der Kläger das Mittagessen abbestellt hatte, gesondert aufgeführt sind, widerlegt. Hätte der Kläger generell auf die Möglichkeit der Teilnahme an dem von der
WfbM kostenfrei angebotenen Mittagessen verzichtet, wäre bei vernünftigem und wirtschaftlichem Verhalten davon auszugehen, dass er das Essen auch generell abbestellt. Dies wäre dann in der Liste verzeichnet gewesen. Der Kläger hatte sich jedoch nur für einzelne Tage des Leistungszeitraums (fünf) vom Essen abgemeldet. Da er für die meisten Tage seiner Anwesenheit in der
WfbM Mittagessen bestellt hatte, ist davon auszugehen, dass er dieses auch eingenommen hat. Im Übrigen hat er im Schriftsatz vom 19. Juni 2009 deutlich gemacht, dass er an seiner pauschalen Behauptung im Schriftsatz vom 28. April 2009 nicht mehr festhalten will.
Nach den Angaben der
WfbM, denen der Kläger nicht substantiiert widersprochen hat, war er im Monat Mai (31 Tage) an 19 Tagen in der
WfbM anwesend. Eine Abbestellung des Essens ist in der Anwesenheitsliste nicht verzeichnet. Danach ergibt sich für den Monat Mai ein Bedarf nach § 28
SGB XII iHv 331,00
EUR, abzüglich 19 x 1,62
EUR (30,78
EUR), also iHv 300,22
EUR. Im Juni (30 Tage) war er an 22 Tagen in der
WfbM, hatte jedoch für drei Tage das Essen abbestellt (19 x 1,68 = 31,92), also 299,08
EUR. Im Juli (31 Tage) war er an 15 Tagen in der Werkstatt und hatte einmal das Essen abbestellt (14 x 1,62 = 22,68), also 308,32
EUR. Im August (31 Tage) war er wegen Urlaubs nur 13 Tage anwesend und hatte für alle Anwesenheitstage Essen bestellt (13 x 1,62 = 21,06), also 309,94
EUR. Im September (30 Tage) war er an 22 Tagen in der
WfbM und hatte kein Essen abbestellt (22 x 1,68 = 36,96), also 294,04
EUR. Im Oktober (31 Tage) gab es 12 Anwesenheitstage bei einer Essensabbestellung (11 x 1,62 =17,82), also 313,18
EUR.
Vom Bedarf des Klägers ist nach § 41
Abs. 2
SGB XII das von ihm erzielte Einkommen nach §§ 82 bis 84
SGB XII und Vermögen nach § 90
SGB XII abzuziehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen zu berücksichtigenden Vermögens bestehen nicht. Einkommen besteht in Form eines monatlich durch die Bundesagentur für Arbeit nach
§§ 97 ff. SGB III iVm § 30 und
§§ 44 ff. SGB IX gezahlten Ausbildungsgeldes iHv 67,00
EUR. Aus dem Bescheid der Agentur für Arbeit Magdeburg vom 2. November 2004 ergibt sich, dass es sich um gemäß
§ 107 SGB III bewilligtes Ausbildungsgeld für die Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer
WfbM im Zeitraum vom 1. November 2004 bis zum 31. Oktober 2005 handelte.
Das Ausbildungsgeld ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 23. April 2008, Az.: L 8 SO 5/06) auf den Bedarf des Klägers anzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es weder nach § 82
Abs. 1 Satz 1 noch nach
Abs. 2
Nr. 5
SGB XII anrechnungsfrei, da es keine Leistung nach dem
SGB XII oder den übrigen in § 82
Abs.1 Satz 1
SGB XII genannten Gesetzen und auch kein Arbeitsförderungsgeld ist, das nach
§ 43 SGB IX an die im Arbeitsbereich einer
WfbM beschäftigten behinderten Menschen zusätzlich zur Vergütung ausgezahlt wird.
Das Ausbildungsgeld ist auch nicht als zweckbestimmte öffentlich-rechtliche Leistung nach § 83
Abs. 1
SGB XII berücksichtigungsfrei (a.A. zu § 77
Abs. 1 BSHG:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22. Februar 2006 -
16 A 176/05 - RdLH 2007,
Nr. 4, 25 f.; zu § 85
Abs. 1 BSHG:
OVG Niedersachsen, Urt. v. 22. Februar 2001 -
12 L 3923/00 - FEVS 52, 508
ff., dort hälftige Berücksichtigung als angemessener Kostenbeitrag zur geleisteten Eingliederungshilfe im stationären Bereich). Der Zweck dieser Leistung ist im
SGB III, insbesondere in §§ 104 und 107
SGB III nicht ausdrücklich genannt. Anders als beispielsweise im Rahmen des § 11
Abs. 3
Nr. 1
SGB II genügt es nach dem klaren Wortlaut des § 83
Abs. 1
SGB XII nicht, dass sich der Zweck einer Leistung nur indirekt aus dem Regelungszusammenhang ermitteln lässt (
BVerwG, Urteil vom 12. April 1984, Az.: 5 C 3/83, BVerwGE 69, 177
ff.; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm,
SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 83 RN 11; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf,
SGB XII, 2. Aufl., § 83 RN 6
m.w.N.; a.A: Sächsisches
LSG, Urteil vom 20. März 2008, Az.:
L 3 SO 25/07, zitiert nach juris).
Selbst wenn man eine ausdrückliche Zweckbestimmung im Gesetz nicht für erforderlich hielte, ließe sich der Zweck des nach §§ 104, 107
SGB III bei der Teilnahme an Maßnahmen in einer
WfbM gezahlten Ausbildungsgeldes auch aus dem systematischen Zusammenhang nicht eindeutig bestimmen. So spricht zunächst der Ausdruck "Bedarf", der auch in
§§ 105,
106 SGB III Verwendung findet und dort in einem deutlichen Zusammenhang mit den Kosten des Lebensunterhalts des Leistungsempfängers steht, für eine auch im Rahmen des § 107
SGB II bestehende Zweckbestimmung zur Unterhaltssicherung. Zudem ist das Ausbildungsgeld nach §§ 104
ff. SGB III, das nach
§ 102 Abs. 2 SGB III als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben iSv
§ 40 SGB IX charakterisiert ist, in
§ 45 Abs. 5 Nr. 1 SGB IX ausdrücklich als "Leistung zum Lebensunterhalt" - so der Titel der Vorschrift - aufgeführt. Es hat daher zweifellos - auch - unterhaltssichernde Funktion.
Andererseits sprechen der geringe Betrag und der Ausschluss der Einkommensanrechnung nach
§ 108 Abs. 1 SGB III für eine Anreizfunktion (
BSG, Urteil vom 26. September 1990, Az.:
9b/7 RAr 100/89, SozR 3-4100 § 58
Nr. 1, dort allerdings ausdrücklich mit einer Verpflichtung des Leistungsempfängers verbunden, mit dem Ausbildungsgeld einen Beitrag zu den Kosten des Heims zu leisten) oder eine Taschengeldfunktion (
BSG, Urteil vom 14. Februar 2001, Az.:
B 1 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 44
Nr. 8) des nach § 107
SGB III gezahlten Ausbildungsgeldes. Letztere wäre aber zumindest teilidentisch mit den Leistungszwecken der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII, weshalb selbst bei Anwendbarkeit des § 83
Abs. 1
SGB XII zumindest eine teilweise Anrechnung vorzunehmen wäre.
Aus diesem Grund vermag sich der Senat der neuerdings in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, es handle sich um einen "pauschalierten Aufwendungsersatz" zur Deckung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs, der die Unterhaltssicherungsfunktion vollständig verdränge (
vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2008, Az.:
L 23 SO 269/06;
LSG Niedersachsen, Urteil vom 26. Februar 2009 Az.:
L 8/13 SO 7/07) nicht anzuschließen. Das Ausbildungsgeld hat als ergänzende Leistung zur Unterhaltssicherung unterhaltssichernde Funktion.
Nach der Rechtsauffassung des Senats ist jedoch vom Ausbildungsgeld des Klägers in entsprechender Anwendung von § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 % des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Auch wenn es sich beim Ausbildungsgeld nicht um Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung
i.S.d. § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (
SGB IV) handelt (
BSG, Urt. v. 14.2.2001 - B 1 KR 1/00 R - SozR 3-2500 § 44
Nr. 8), ist § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII dennoch entsprechend anwendbar (so schon zu § 76
Abs. 2a BSHG: Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 76 RN 44; a.A. zu § 85
Abs. 2 BSHG und § 56
AFG:
BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995, Az.:
5 C 27/93, FEVS 46, 309).
Da weder § 82 SGBXII noch § 83
SGB XII für diese besondere Einkommensart eine eigenständige Regelung für die Anrechnung enthalten, wäre es grundsätzlich nach § 82
Abs. 1
SGB XII vollständig auf den Bedarf anzurechnen. Durch eine (vollständige) Anrechnung auf die Leistungen der Grundsicherung ginge jedoch der mit der Gewährung des Ausbildungsgelds zumindest auch verbundene Zweck, einen Anreiz für die Teilnahme an der Maßnahme zu geben (
BSG, Urteil vom 26. September 1990, Az.: 9b/7 RAr 100/89, SozR 3-4100 § 58
Nr. 1) und den behinderten Menschen zu motivieren, seine Leistungsfähigkeit so zu entwickeln, dass er danach ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen und später in den Arbeitsbereich einer
WfbM aufgenommen werden kann, völlig verloren. Diese Anreizfunktion, den Arbeitswillen und die Arbeitsbereitschaft des behinderten Menschen zu fördern und zu erhalten, ist erst dann erfüllt, wenn dem Leistungsberechtigten von dem Ausbildungsgeld ein bedeutender Teilbetrag verbleibt, der ihm zusätzlich zu den Leistungen der Grundsicherung zur Verfügung steht (so auch: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Januar 2001, Az. 12 L 3923/00, FEVS 52, 508). Insoweit besteht eine planwidrige, gesetzliche Lücke.
Mangels anderer geeigneter Regelungen des
SGB XII ist der Begriff der Beschäftigung in § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII daher so auszulegen, dass er nicht nur eine nichtselbstständige Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt, sondern jede mit der Erzielung von (nicht notwendig Arbeits-) Einkommen
i.S.d. § 82
Abs. 1 Satz 1
SGB XII verbundene Tätigkeit in einer
WfbM erfasst.
Dem Grundsatz der Nachrangigkeit und den hiermit verbundenen Interessen der
SGB XII-Leistungsträger wird dabei durch die Anrechenbarkeit des erzielten Einkommens oberhalb des Freilassungsbetrags genüge getan. Demnach ist dem Kläger ein Betrag in Höhe eines Achtels des Eckregelsatzes von 331,00
EUR, also 41,38
EUR, zuzüglich 25 % aus 25,62
EUR, also 6,41
EUR, mithin insgesamt in Höhe von 47,79
EUR anrechnungsfrei zu belassen. Folglich ist das Ausbildungsgeld in Höhe von 19,21
EUR auf den Bedarf des Klägers anzurechnen.
Ein Abzug für Beiträge zu Versicherungen war nicht vorzunehmen, denn der Kläger hat solche nicht geltend gemacht.
Zudem ist das weitere Einkommen des Klägers aus der Halbwaisenrente zu berücksichtigen. Dieses betrug in den Monaten Mai und Juni 2005 184,09
EUR. Ab Juli belief es sich auf 183,18
EUR. Die Halbwaisenrente des Klägers ist weder nach § 82
Abs. 1 noch nach
Abs. 2
Nr. 5
SGB XII anrechnungsfrei, da sie keine Leistung nach dem
SGB XII und auch kein Erwerbseinkommen ist. Die Waisenrente ist auch nicht als zweckbestimmte öffentlich-rechtliche Leistung nach § 83
Abs. 1
SGB XII berücksichtigungsfrei. Von diesem Einkommen sind keine Freibeträge abzuziehen.
Der Kläger hat bereits bewilligte Leistungen von monatlich 32,45
EUR in Mai und Juni 2005 sowie 33,36
EUR in den weiteren Monaten des streitigen Zeitraums erhalten. Von diesen Monatsbeträgen ist der jeweils bewilligte KdU-Anteil von 18,54
EUR abzuziehen, denn dieser ist nicht streitgegenständlich. Die bewilligte Regelleistung beträgt 13,91
EUR (im Mai und Juni)
bzw. 14,82
EUR (in den Folgemonaten).
Daraus folgt folgende Berechnung:
Alle Angaben in
EUR Mai Juni Juli August September Oktober
Bedarf 300,22 299,08 308,32 309,94 294,04 313,18
Abzüglich Einkommen - Ausbildungsgeld - Waisenrente
19,21 / 184,09
19,21 / 184,09
19,21 / 183,18
19,21 / 183,18
19,21 / 183,18
19,21 / 183,18
Anspruch 96,92 95,78 105,93 107,55 91,65 110,79
Abzgl. bew. Leistung (abzgl. KdU 18,54)
13,91
13,91
14,82
14,82
14,82
14,82
Restzahlungsanspruch 83,01 81,87 91,11 92,73 76,83 95,97
Da der noch bestehende Zahlungsanspruch des Klägers in jedem der sechs streitigen Monate den klageweise geltend gemachten Betrag von 67,00
EUR monatlich übersteigt, war der Beklagte - wie beantragt - zur Zahlung von weiteren Leistungen für den streitigen Zeitraum von insgesamt 402,00
EUR (6 x 67,00
EUR) zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Die Revision ist zuzulassen, da die Frage des Umfangs der Berücksichtigung von Ausbildungsgeld bei der Einkommensanrechnung grundsätzliche Bedeutung hat.