Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in der hier anzuwendenden bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 145
Abs. 1 Satz 1
SGG). Der Beschwerde kann durch das Sozialgericht nicht abgeholfen werden (§ 145
Abs. 4 Satz 1
SGG).
Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144
Abs. 1 Satz 2
SGG). Vorliegend betrifft die Berufung lediglich Leistungen für drei Monate (1. August 2006 bis zum 31. Oktober 2006), so dass die Berufung nicht nach § 144
Abs.1 Satz 2
SGG zulässig ist.
Sie ist auch nicht nach § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG zulässig, weil ein Beschwerdewert von 500
EUR nicht überschritten wird. Der Kläger begehrt für den streitigen Zeitraum monatlich jeweils 121,00
EUR als Mehrbedarf; insgesamt somit 363,00
EUR. Der Beschwerdewert von 500,00
EUR ist hier auch noch der vorgenannten, bis zum 31. März 2008 geltenden Vorschrift maßgeblich, denn die Nichtzulassungsbeschwerde ist vom Kläger am 24. Februar 2008 eingelegt worden. Damit ist die Beschwerde insgesamt statthaft.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 144
Abs. 2
SGG liegen nicht vor.
Nach § 144
Abs. 2
SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144
Abs. 2
Nr. 1
SGG). Notwendig hierfür ist, dass eine Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist der Fall, wenn eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im Allgemeininteresse liegt, aufgeworfen wird, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Regelmäßig genügt hierfür ein Individualinteresse nicht (
vgl. statt vieler Bundessozialgericht -
BSG, Beschluss vom 13. August 2008 - Az.: B 11 AL 8/08 B - zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Wortlaut der für den begehrten Anspruch vorrangig in Betracht kommenden Regelung des § 21
Abs. 4
SGB II ist eindeutig. Danach erhalten einen Mehrbedarf nur die diejenigen erwerbsfähigen behinderten Hilfebedürftigen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§ 33 des Neunten Buches (SGB IX) sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfe nach
§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 des Zwölften Buches (SGB XII) erbracht werden. Solche Leistungen erhielt der Kläger im streitigen Zeitraum nicht, worauf allein nach (bisheriger) einhelliger Meinung abzustellen ist. Nicht die bloße Anspruchsberechtigung als solche, sondern erst die Bewilligung der in § 21
Abs. 4
SGB II genannten Förderleistungen (zur Teilhabe am Arbeitsleben) führen zu einem Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen (
vgl. Behrend, in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar,
SGB II, 2. Aufl., zu § 21 Rnr. 39; Münder, in LPK-
SGB II, 2. Aufl., § 21 Rnr. 21; Lang/Knickrehm, in Eicher/ Spellbrink,
SGB II, Kommentar, 2. Aufl., zu § 21 Rnr. 21 Rnr. 41 a.E.; Kalhorn, in Hauck/Noftz,
SGB II, Kommentar, K § 21 Rnr. 21;
LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. März 2006 - L 8 AS 11/05 - zitiert nach juris - anhängig beim
BSG: B 11b AS 35/06 R) . Eine bereits diesem Wortlaut widersprechende Auslegung, wie sie vom Kläger begehrt wird, ist nicht möglich.
Eine Erhöhung der Regelleistung nach § 21
Abs. 4
SGB II soll einen tatsächlichen Mehrbedarf abdecken, der durch die Teilhabe am Arbeitsleben
bzw. die anderen genannten Hilfemaßnahmen entsteht (Kalhorn in Hauck/Noftz,
SGB II, K § 21 Rnr. 21 m. w. N.). Dieser tatsächliche Mehrbedarf besteht aber gerade nicht bei behinderten Menschen, denen, wie dem Kläger, keine der in § 21
Abs. 4
SGB II normierten Leistungen erbracht werden. Durchdringende verfassungsrechtliche Bedenken wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (
Art. 3
GG) und das Sozialstaatsgebot (
Art. 20
GG), die zum Teil in der Rechtsprechung (Beschluss des
LSG Berlin-Brandenburg vom 26. September 2006 - L 14 B 1378/05 AS - zitiert nach juris) unter Bezugnahme auf Literaturmeinungen (
vgl. Brühl, Lehr- und Praxiskommentar
SGB II, 2. Aufl., § 5 Rnr. 47 und Armborst, info also 2006, 59 f.; im Anschluss hieran auch Tattermusch, in Estelmann,
SGB II, Kommentar, § 21 Rnr. 26a) geäußert worden sind, begründen die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht mit Erfolg.
Zweck der Regelung des § 21
Abs. 4
SGB II ist es, nicht jeden berufsbedingten Nachteil auszugleichen, sondern dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es für den Personenkreis der behinderten Menschen aufgrund nicht ausreichend behindertengerecht ausgestalteter konkreter Arbeitsbedingungen oftmals besonders schwer ist, einen vorhandenen Arbeitsplatz zu erhalten oder eine Ausbildung durchzuführen (
vgl. Behrend, a.a.O., § 21 Rnr. 39). Hieraus folgt bereits, dass ein Gleichheitsverstoß oder Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip nicht vorliegt, wenn andererseits der Mehrbedarf gemäß
§ 30 Abs. 1 SGB XII nicht an eine geförderte Tätigkeit oder Ausbildung anknüpft. Denn anders als der nach § 21
Abs. 4
SGB II begünstigte Personenkreis können ausschließliche Anspruchsteller nach § 30
Abs. 1
SGB XII "nur" vollerwerbsgeminderte Personen nach § 43
Abs. 2 des Sozialgesetzbuches 6. Buch (
SGB VI) sein, wozu der Kläger, soweit anhand der Verwaltungsakten des Beklagten
bzw. der Gerichtsakten ersichtlich, nicht gehört.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist auch nicht dadurch mit Erfolg zu begründen, weil etwa eine verfassungskonforme Auslegung von § 21
Abs. 4
SGB II zu erwägen wäre. Hierzu hat das
BSG zutreffend mit Urteil vom 07. November 2006 (B 7b AS 14/06 R in SozR 4 - 4200 § 20
Nr. 1)
u. a. bereits die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des
SGB II eine Erhöhung der Regelleistung über die gesetzliche Pauschale hinaus nur in den dort ausdrücklich geregelten Fällen zulassen, und ausgeführt:
"Bereits im Gesetzentwurf zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II die Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen des
SGB XII ausschließt (dazu: Voelzke in Hauck/Noftz,
SGB XII, K § 21 RdNr 19 ff, Stand Juni 2006; Luthe in Hauck/Noftz,
SGB II, K § 5 RdNr 99 ff, Stand Juli 2006), und zwar sogar in Fällen der Absenkung
bzw. des Wegfalls des Alg II und des Sozialgelds (BT-Drucks 15/1516 S 51 zu § 5
Abs. 2). Mit einer Anfügung der nachstehenden Passage an § 3
Abs. 1
SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat er diesen Gesichtspunkt im Gesetz noch einmal klargestellt: "die nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen decken den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung des Bedarfs ist ausgeschlossen." Zur Begründung dieser Klarstellung (BT-Drucks 16/1696 S 26 zu Nr 2) ist ausgeführt, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts würden mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und der Heizung grundsätzlich in pauschalierter Form erbracht. Sie deckten den allgemeinen Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, abschließend. Unbeschadet der Regelungen des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels, die insbesondere die Möglichkeit der darlehensweisen Leistungsgewährung bei unabweisbarem Bedarf im Einzelfall beinhalteten, würden Leistungen für weiter gehende Bedarfe durch die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht erbracht. Gleichzeitig wurde in § 20
SGB II der Inhalt der Bedarfe näher spezifiziert; danach umfasst die Regelleistung
u. a. die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen auch die Beziehung zur Umwelt und damit grundsätzlich der Umgang mit Familienangehörigen zu zählen ist."
Ausgehend hiervon folgt daraus, dass der Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers, wie er in § 5
Abs. 2 Satz 1
SGB II und § 21
SGB XII zum Ausdruck gekommen sind, eindeutig und nicht interpretierbar sind. Überdies kommt die Eigenständigkeit des
SGB II gegenüber dem
SGB XII auch dadurch zum Ausdruck, als dass das
SGB II auf die explizite Verankerung hergebrachter Grundsätze des materiellen Fürsorgerechts verzichtet hat und im Übrigen der Grundsatz des Forderns in § 2
SGB II - plakativ - die Eigenverantwortlichkeit des Betroffenen auf der Ebene der Gesetzesziel vor die menschenwürdige Bedarfsdeckung stellt (
vgl. Luthe, in Hauck/Noftz,
SGB II, K § 5 Rnr. 98 a. E.).
Schließlich begründen zwar die Verfassungsnormen der
Art. 1, 20
Abs. 1
GG für den Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag; dieser ist aber nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (
vgl. etwa BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3-2200 § 1255a
Nr. 5). Vielmehr sind dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (
vgl. BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10
Nr. 1; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337). Die Förderung der Selbstbestimmung behinderter Menschen und ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist Aufgabe des Rechts der Rehabilitation für behinderte und von Behinderung bedrohter Menschen, welches im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) normiert ist.
Unter den im Einzelnen in diesem Gesetz festgelegten Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile (
vgl. LSG, Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. November 2007 - L 28 AS 420/07 - zitiert nach juris).
Das Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144
Abs. 2
Nr. 2
SGG). Es folgt insbesondere der bereits genannten Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 28. November 2007 (Az.: L 28 AS 420/07 - zitiert nach juris).
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144
Abs. 2
Nr. 3
SGG liegt ebenfalls nicht vor. Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel - insbesondere unter dem Gesichtspunkt mangelnder Sachverhaltsaufklärung durch das Sozialgericht - ist weder gerügt, noch für den Senat ersichtlich.
Dies auch vor dem Hintergrund, dass, wenn eine atypische Bedarfslage (
vgl. BSG a. a. O.) angenommen würde, die Anwendung des § 73
SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) gerechtfertigt sein könnte (
vgl. Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 162;
a. A. Adolph in Linhart/Adolph,
SGB II/
SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 73
SGB XII Rnr. 11, Stand Februar 2006;
vgl. auch O Sullivan, SGb 2005, 369, 371 f). Erforderlich wäre nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74
SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweise (
vgl. Berlit, LPK-
SGB XII, § 73 Rnr 5: "wertende Betrachtung mit anderen Bedarfslagen") und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstelle ( Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe,
IV.7 RdNr 20, Stand März 2006). Eine derartige Bedarfslage, und nicht nur ein erhöhter Bedarf wie im Rahmen des § 28
Abs. 1 Satz 2
SGB XII, besteht hier schon deswegen nicht, weil eine besondere Nähe zu den in §§ 47 bis 74
SGB XII geregelten Bedarfslagen nicht gegeben ist. Der Kläger verweist auf die Regelung von § 30
Abs. 1
SGB XII. Insoweit ist das Sozialgericht in seiner Entscheidung zu Recht hierauf nicht weiter eingegangen.
Soweit sich der Kläger inhaltlich gegen das Urteil wendet ist festzustellen, dass die Frage der inhaltlichen Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils weder eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist noch einen Verfahrensfehler darstellen kann.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193
Abs. 1
SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177
SGG).
Hierdurch wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 rechtskräftig (§ 145
Abs. 4 Satz 5
SGG).